Seit einiger Zeit schon möchte ich einen Beitrag zur Coolness des Nähens schreiben. Denn einerseits liebe ich das Nähen und ich bekomme für die genähten Kleider viele Komplimente. Andererseits überlege ich manchmal schon, wie offen ich bei Bekannten oder Arbeitskollegen damit umgehe, dass ich in meiner Freizeit nähe. Nähen liegt einderseits voll im Trend, an jeder Ecke kann man schöne Stöffchen kaufen und auch junge Mädchen gehen vermehrt in Nähkurse, aber irgendwie hängt dem Nähen doch noch etwas Angestaubtes an.
Und ja, ich habe schon mindestens einen dummen Spruch kassiert: „Das also macht die moderne Frau von heute“ meinte mein guter Freund, der Professor aus Heidelberg. Zugegebenermaßen wollte er mich damit nur aufziehen, aber der Spruch fasst dennoch ganz gut zusammen, was beim Nähen noch mitschwingt: Es ist von gestern, etwas unmodern eben und unemanzipiert. Oder scheint nur mir das so?
Nein, ich denke nicht, dass es ein vollkommen abwegiger Gedanke ist, den nur ich habe. Noch gut in Erinnerung ist mir der (sehr lesenswerte) Beitrag von Muckelie Warum meine Kinder kein weiß tragen, in dem sie unter anderem schreibt: „Kleidung ist ja auch so ein Thema. Ich versuche bei meiner selbst genähten Kleidung schon etwas darauf zu achten, dass sie nicht zu sehr nach selbst genäht aussieht. Ich möchte nicht, dass alle mit dem Finger auf meine Kinder zeigen. Ich will weder, dass sie gehänselt werden, noch dass die Frage kommt, ob Mama das selber genäht hat.“ Wenn ich ehrlich bin, kenne ich diese Angst vor dem Hänseln auch. Aber dass man der Kleidung nicht mal ansehen darf, dass sie von der Mama genäht ist, ist doch etwas übertrieben, oder? Oder eben nicht, denn ganz ehrlich, diese Frage habe ich mir hier auch schon gestellt.
Woher das wohl kommt, dass selbstgemachter Kleidung etwas Hausbackenes anhaftet? Aus den Fünfzigern, als man tatsächlich noch genäht hat, um Geld in der Haushaltskasse zu sparen? Oder aus den Achtzigern, als das Selbstgemachte ein Öko-Lebensgefühl transportierte? Wo die Kleider der reichen und coolen Kinder eben gekauft waren?
Da ich immer gerne lese, was andere so meinen, habe ich Google mal gefragt, ob andere das Nähen vielleicht auch peinlich finden. Die einzige ausführlichere Antwort fand ich allerdings etwas unbefriedigend: https://blog.bernina.com/de/2010/04/ist-nahen-peinlich/ Versteht mich nicht falsch, der Artikel ist wirklich spannend. Wusstet Ihr, dass jeder Deutsche im Durchschnitt 18 Kilogramm Kleidung pro Jahr kauft? Aber ist Nähen wirklich „eine ausgezeichnete Idee und Teil eines erwachenden und wachsenden Bewusstseins für die eigene Kreativität und Individualität, für Gemeinschaftssinn und Austausch“? Ist Nähen ein „Trendsport“? Das Fazit der Autorin ist, dass Nähen nicht peinlich ist, aber ich persönlich finde mich in diesem Artikel nicht wieder.
Ich habe also stattdessen die Leser meines Newsletters befragt, was sie meinen und habe ausschließlich positive Rückmeldungen bekommen. Claudia von kreativesbastelnest finden Nähen zum Beispiel überhaupt nicht peinlich und bekommen ausschließlich Lob und sogar Bewunderung, wenn die Leute erfahren, dass die Kleidung selbstgenäht ist. Einen dummen Spruch hat sie noch nie zu hören bekommen. Auch Jane schreibt auf ihrem Blogg Staubkornklein zur Leggings Luna: „In der Kita sind die Hosen schon super angekommen, ich werde ständig von Erziehern und Eltern gefragt, wo man denn solche Kindersachen herbekommt.“
Und ja, auch bei diesen Erfahrungen finde ich mich wieder. Wenn es um konkrete Kleidungsstücke geht, bekomme ich auch viel Lob und oft auch Anerkennung meiner handwerklichen Fertigkeiten. In der Krabbelgruppe war zum Beispiel der rote Nicki-Pulli der Hit.
Beim Großen kam der graue Hoodie mit den Vögeln bei den Kindergärtnerinnen super an, genauso wie der selbstgenähte Batman-Umhang. Der aus Pappe gebastelte Zylinder war im Kindergarten bei den Kindern sogar so beliebt, dass alle ihn mal aufsetzen wollten.
Und was ist nun mein persönliches Fazit? Nähen feiert ja ganz offensichtlich ein Comeback und ist bei vielen Leuten gerade „in“. Das hat sich vielleicht noch nicht bis zu jedem herumgesprochen und es wird wohl immer Leute geben, die das Nähen doof finden. Aber ich mag das Nähen und es macht uns allen Spaß, Sachen selber zu herzustellen.
Wenn die Kinder dann größer werden und in der Pubertät vielleicht eine Weile keine von Mama genähte Kleidung tragen wollen, dann nähe ich eben mehr für mich. Denn ich bin erwachsen und als Erwachsene darf ich mir auch meine eigene Meinung bilden, muss nicht immer „cool“ sein und kann mir Gleichgesinnte suchen. Denn ja, es ist wohl tatsächlich so: Nähen – das macht die moderne Frau von heute. 🙂
Ich bin neugierig: Wie ist denn das bei Euch: Warum näht Ihr und ist das Nähen Euch (oder Euren Kindern) peinlich? Wieso? Oder wieso nicht?
Ich freue mich, von Euch zu hören und werde ganz sicher alle Antworten lesen!
Viele Grüße,
Cailin
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Stacia meint
Ich finde Nähen total toll und habe auch noch nie negatives Feedback bekommen. Ganz im Gegenteil. Mir erscheint es schön, wenn nicht alle Kinder das Gleiche anhaben, sondern die Kleidung individuell verschieden ist. Der Gedanke zu verheimlichen, dass ich meine Kinder oder mich benähe, ist mir tatsächlich noch nie gekommen.
Was ich schlimm an gekaufter Kleidung finde, also neben den Produktionsbedingungen und der Umweltbelastung, sind diese kleine Plastikteile mit denen immer das Schildchen daran befestigt ist. Furchtbar! Immer fliegt ein Teil beim Abschneiden durch die Gegend oder in das Kleidungsstück und lässt sich nicht wieder finden. Durch das Selbernähen kann ich einen Großteil dieser Dinge umgehen.
Was mir bei Kinderstoffen auffällt ist, dass sie anscheinend so bunt wie möglich sein müssen. Das macht meiner Meinung nach noch keinen fröhlichen oder schönen Stoff aus, aber die Geschmäcker sind eben verschieden.
Also, Nähen ist total toll! Mach unbedingt weiter so und sei stolz!
Liebe Grüße
Stacia
cailin meint
Hallo Stacia,
vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Es stimmt, dass das Nähen zur Vielfalt der Kleidung beiträgt.
Es gibt wirklich soo viele gute Gründe zu Nähen. Es freut mich persönlich einfach, wenn ein fertiges Teil von der Maschine hüpft, dann bin ich tatsächlich ein wenig stolz auf mein Werk. Und dann ist es nochmal toll, wenn die Kinder in den selber genähten Kleidern herumlaufen!
Ich mag bei weitem auch nicht jeden (Kinder-)Stoff, der angeboten wird, aber irgendwie ist das Stofflager trotzdem immer gut genug gefüllt 🙂
Viele Grüße,
Cailin
Karin meint
Peinlich? ?
Das kam mir tatsächlich noch nie in den Sinn! Ich nähe ja erst seit einem halben Jahr, aber ich bin durchweg stolz auf jedes noch so kleine Werk und habe bis jetzt auch nur Lob und Anerkennung geerntet – sogar von meinem Mann, der wirklich bei allem sehr kritisch ist. ?
Nähen ist ein tolles produktives Hobby und man kann seine Kreativität voll ausleben. Meine Kinder tragen ihre Sachen alle mit Stolz und machen kein Geheimnis daraus, daß es handgemacht von Mama ist. Selbst meine Tochter (26 Monate) guckt jedes Teil mit großen Augen an und sagt: „Hat die Mama näht! Hübsch!“ ?
cailin meint
Hallo Karin,
das ist ja toll, was du berichtest! Es ist vielleicht wirklich so, dass diejenigen, die das Nähen mit etwas Hausbackenem verbinden, zu einer (aussterbenden) Minderheit gehören. Das wäre ja nicht das Schlechteste 🙂
Liebe Grüße,
Cailin
Nria meint
Hmm, ich habe noch nie eine negative Reaktion auf mein Hobby bekommen. Aber generell ist ja aktuell Selbermachen ein großer Trend (im Zuge von Minimalismus, Öko, Rückbesinnung blabla usw.), was auch hoffentlich noch eine Weile so bleibt.
Ich habe im späten Teeniealter mit dem Nähen angefangen, vorher habe ich schon eine Weile Entwürfe skizziert ohne den Plan, sie je umzusetzen (wäre vielleicht interessant, falls ich die Zettel noch aufgehoben habe und irgendwann wiederfinde …). Ich kam nicht auf die Idee, die Sachen wirklich nähen zu wollen – aber nicht, weil Nähen mir wie ein altmodisches Hobby erschien, sondern weil ich irgendwie glaubte, es sei furchtbar schwierig zu nähen.
Klar, einige Leute werden es immer blöd finden – vielleicht sind das vor allem Menschen, die auf Glamour und Exklusivität stehen? Aber es gibt nunmal nichts, das jedem gefällt.
cailin meint
Hallo Nria,
danke für deinen interessanten Kommentar, so habe ich es noch gar nicht betrachtet. Aber es kann gut sein, dass es nicht nur dir so ging und dass das Nähen deswegen eine Weile in der Versenkung verschwunden ist, weil viele dachten, es sei so schwierig? Man hat es nicht mehr automatisch in der Schule oder von der Mutter gelernt und es gab im Internet ja noch nicht diese schönen bebilderten Anleitungen 🙂
Und ja, du hast Recht, man kann es sowieso nicht jedem Recht machen…
Viele Grüße,
Cailin
Flora meint
Sehr interessantes Thema……
Ich habe schon in den 80igern und 90igern viel für meine 4 Kinder genäht, gebastelt und gestrickt. Einmal um für meine Kreativität ein Ventil zu finden und außerdem auch um Geld zu sparen. Es stimmt schon, alles Selbstgemachte (auch aus der Küche) hatte damals einen geringeren Wert.
Zu der Zeit wurden Frauen immer Selbstständiger und hatten somit immer weniger Zeit für „Heim und Herd“. Fast Food wurde modern und Kleidung wurde schnell mal besorgt.
Wie toll ist es, das Frauen, Männer und Kinder sich heute des Wertes etwas von Hand Hergestelltem wieder bewusst sind!
Ich nähe jetzt als Wiedereinsteigerin mit der gleichen Freude wie früher für meine Familie und jedes einzelne Teil ist mit Liebe durchwebt, so etwas kann man nicht kaufen!!!
Und heute werde ich von meinen Freundinnen beneidet, für meine Nähkunst, um die Freude, die ich damit habe und um das unumstößliche Selbstbewusstsein, mit dem ich meine Schätze trage oder verschenke. ?
cailin meint
Hallo Flora,
danke für deinen sehr interessanten Erfahrungsbericht. Ja, es stimmt, dass viele sich wieder bewusst werden, was der Wert von Handgemachtem ist. Vielleicht gerade deswegen, weil man nichts mehr von Hand machen „muss“ sondern es eben mal schnell kaufen könnte.
Schade eigentlich, dass man sich früher des Wertes nicht so bewusst war… Dafür kannst du jetzt die Früchte deines Könnens genießen 🙂
Viel Spaß weiterhin beim Nähen!
Cailin
Fussel meint
Ich habe von Amerikanerinnen mehrfach gehört, dass sie sich in den 70ern oder 80ern tolle Sachen genäht hatten (also so richtig kompliziert, Hosenanzüge und sowas) und dann Kolleginnen in bewunderndem Tonfall fragten, wo diejenige sich das denn gekauft hätte. Nachdem sie dann gesagt hatte, daß sie das selber genäht hatte, gab es plötzlich aber keine Komplimente, sondern abfällige Kommentare nach dem Motto „Du mußt es ja nötig haben“. Bei späteren Gelegenheiten hat die Selbernäherin dann immer behauptet, daß die Sachen von einer teuren Marke stammen würden und schon waren sie toll…
Bei Stricksachen habe ich (diesmal von einer Deutschen) gehört, daß ihre Schwägerin den Kindern (also den Nichten und Neffen der Strickerin) die handgestrickten Sachen nicht angezogen hat und als die Kinder größer wurden, sie ihnen weggenommen hat, weil selbstgemacht für sie peinlich war und nur Markenkleidung gut genug. Nachdem die Strickerin dann eigene Aufnäher erstellt und an die Mützen etc. genäht hatte, trugen die Kinder plötzlich die Sachen (und fanden sie toll). Und warum? Weil Mutter dachte, das wäre das Label einer besonderen (teuren) Boutique. Als sie irgendwann rausgefunden hat, daß das ein selbsterstelltes Label war, waren die Mützen wieder weg und es war egal, daß die Kinder sie mochten und daß andere Leute sich auch positiv darüber geäußert hatten…
Solche Leute gibt’s also auch.
Mit der Umfrage unter Deiner Leserschaft wirst Du diese Klientel aber sicher nicht erwischen, denn die handarbeiten mit Sicherheit nicht.
Ich stricke mehr als ich nähe, aber da ist das Großmutter-Image wohl noch schlimmer als beim Nähen. Und viele denken immer noch, selbergemacht würde bedeuten, es müsse grob und ungelenk aussehen und obendrein noch eine schlechte Paßform haben.
Aber gerade wenn man sich Konfektionskleidung ansieht, dann wird einem klar, wie schlecht die oft zugeschnitten (bei Karos oder anderen regelmäßigen Mustern passen praktisch nie die Linien aufeinander) und verarbeitet ist (diese tütenförmigen Abnäher häufig! Die Nähte!).
Andererseits gibt es viele Leute, die das „Grob und zusammengeknallt“-Image von Handgemachtem befördern, indem sie Dinge extra grob machen und dann sagen „es soll ja handgemacht aussehen“. Aarrgh! Nein, es soll handgemacht SEIN, aber gut verarbeitet!
Das Gegenstück dazu sind dann Komplimente wie „sieht aus wie gekauft“. Auch so ein Satz, wo sich meine Stacheln aufstellen.
Gerade bei den Stricksachen bekommt man eine ähnliche Qualität, wie ich sie selbermache, einfach nicht zu kaufen. Jedenfalls nicht für den Geldbeutel eines Normalbürgers.
Ich sage dann immer, daß die Sachen maßgeschneidert sind, wenn ich sie selbermache. Das heißt, individuelle Paßform, die Farbe, die ich möchte, eine Garnqualität mit 100% Wolle, Ärmel, die lang genug sind für mich (ewiges Problem bei gekaufter Kleidung) und aufwendige Muster, die man auch so nirgends zu kaufen bekommt.
Also Du bist Deine eigene Maßschneiderin 🙂
cailin meint
Hallo Fussel,
vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Und die Aussage mit der Maßschneiderin gefällt mir sehr gut. Und das ist doch auch ein Ziel, auf das man hinarbeiten kann: Es sieht nicht aus wie handgemacht und nicht wie gekauft, sondern wie maßgeschneidert. 🙂 Allerdings sind wir bei Kinderkleidern oft noch nicht soweit, zumindest was die Passform angeht…
Seitdem ich nähe, merke ich bei manchen Sachen auch, wie schlecht sie verarbeitet sind. Genauso oft denke ich aber auch, dass manche Kleidung ganz schön aufwändig und gut verarbeitet ist, vor allem zu dem Preis. Wenn zum Beispiel eine Kinder-Jacke aus Bio-Sweat mit gefütterter Kapuze weniger als 10 Euro kostet…
Viele Grüße,
Cailin
Petra meint
Wenn man gute Stoffe mag und auch eine nicht so Maßfigur hat, ist Nähen das einzig wahre! Was macht es einer selbstbewußten Frau (oder deren Kinder) aus, was andere sagen. Mein Sohn war und ist stolz auf die genähte Kleidung und auch ich habe noch nie gehört,das an meiner Gaderobe etwas auszusetzen ist. Es macht mich glücklich, wenn ich gute Stoffe verarbeiten kann und allesrichtig passt.
cailin meint
Hallo Petra,
danke für deinen lieben Kommentar! Und es ist auch bei uns so, dass die Kinder ihre selbst genähte Kleidung mögen und dafür Komplimente bekommen 🙂
Viele liebe Grüße,
Cailin
Rosi meint
Ich finde selbernähen ganz cool. Habe früher Nähkurse mit viel Spaß besucht, mit naja auch ein wenig Erfolg. Zumindest paßten die Sachen, und stolz war ich auch drauf. Wegen meines sehr anstrengenden Berufs, Und 2 Kindern( trotzdem gearbeitet), bin ich zu nix mehr gekommen. Doch nun in Rente, mach ich wieder vieles selbst und was das Nähen betrifft, total auf dem Recicling- Trip. Ändere Gebrauchtes, vor allem Jeans und Herrenhemden. Es macht Spaß, nicht alles in die Kleidersammlung zu bringen……Fazit: Nähen ist überhaupt nicht uncool!